Überwachung am Arbeitsplatz
Darf ein Unternehmen seine Arbeitnehmer:innen überwachen? Was gilt im Homeoffice? Dazu gibt es verschiedene Regelungen. Grundsätzlich gilt allerdings: Die Arbeitnehmer:innen und der Betriebsrat müssen darüber informiert werden und es ist nicht alles erlaubt, was technisch möglich ist.
Das gilt in Betrieben mit Betriebsrat
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, d.h. die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer:innen entsprechend beeinflussen (z.B. Videoüberwachung am Arbeitsplatz, GPS-Ortung von Außendienstmitarbeiter:innen oder die Aufzeichnung der Arbeitsleistung durch Maschinen bzw. verwendete Arbeitsmittel), dürfen nur eingesetzt werden, wenn der Betriebsrat mit dem:der Betriebsinhaber:in darüber eine Betriebsvereinbarung getroffen hat.
Ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ist der Einsatz derartiger Systeme rechtswidrig und die Kontrolleinrichtungen müssen von dem:der Arbeitgeber:in entfernt werden.
Das gilt in Betrieben ohne Betriebsrat
In betriebsratslosen Betrieben dürfen solche Kontrollmaßnahmen nur mit Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer:innen durchgeführt werden. Die Zustimmung sollte jedenfalls schriftlich erfolgen und kann jederzeit schriftlich widerrufen werden; die Vereinbarung einer Befristung ist möglich.
Wie weit Kontrolle gehen darf?
Entscheidend ist die Intensität der Kontrolle. Die Art der Kontrolle (durch Vorgesetzte oder technische Systeme) spielt ebenso eine Rolle wie die zeitliche Dauer (Stichproben oder permanente Kontrolle), der Umfang der Kontrolle (Verknüpfung mit anderen Daten) und die dabei erfassten Datenarten. Zu prüfen ist, welches legitime Kontrollziel des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin erreicht werden soll, und ob das eingesetzte Kontrollmittel zum angestrebten Zweck in Relation steht oder ob es eine die Persönlichkeitsrechte weniger beeinträchtigende Alternative – sogenannte „gelindere Mittel“ gibt.
Kontrollen, wie etwa eine Zutrittskontrolle bei Betreten des Arbeitsorts (mit einer Stechuhr) oder die Pflicht zum Tragen eines Firmenausweises auf dem Firmengelände werden im Allgemeinen die Menschenwürde nicht berühren. Das gilt etwa auch für den Fall, dass Arbeitnehmer:innen im Homeoffice rein ihre Arbeitszeiten in einer Liste eintragen müssen. Solche Maßnahmen bedürfen daher nicht unbedingt der Regelung durch Betriebsvereinbarung (bzw. der Zustimmung der Arbeitnehmer:innen).
Berührt wird die Menschenwürde bei Kontrollmaßnahmen wie etwa in Arbeitsbereichen eingesetzten Videoüberwachungskameras oder der Aufzeichnung der Leistung durch Maschinen, die einen Rückschluss auf die Arbeitsleistung der an der Maschine tätigen Arbeitnehmer:innen zulassen. Auch ein automationsgestütztes Telefonsystem, das im Homeoffice eingesetzt wird, kann ein solcher Fall sein.
Solche Maßnahmen können zulässig sein, aber nur bei Vorliegen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung (bzw. Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer:innen in betriebsratslosen Betrieben)!
In einer solchen Betriebsvereinbarung sind geeignete Rahmenbedingungen zu verankern, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer:innen sicherstellen, selbst wenn der Einsatz der Maßnahme aus wichtigen Gründen seitens des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin (Schutz der Sicherheit der Arbeitnehmer:innen und Kund:innen, Schutz des Eigentums usw.) gerechtfertigt erscheint.
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde verletzen, sind absolut unzulässig. Zu derartigen Maßnahmen gehören etwa das heimliche Abhören von Telefongesprächen, Überwachung mittels Webcam oder Bildschirm-Screenshots im Homeoffice, Überwachungskameras in Waschräumen oder Toilettenanlagen, in der Regel Leibesvisitationen, die Überprüfung des Privatlebens u.a.
Ausnahme
Kontrolle der E-Mail- und Internet-Nutzung?
Durch die technischen Gegebenheiten ermöglicht die Kontrolle der E-Mail- und Internetnutzung nicht nur einen Zugriff auf die Verbindungsdaten, sondern in der Regel auch eine inhaltliche Kontrolle (Inhalte der E-Mails und der angewählten www-Seiten). Dadurch wird typischerweise die Menschenwürde berührt und die Zustimmungspflicht des Betriebsrats bzw. des:der Arbeitnehmers:Arbeitnehmerin ausgelöst. Für die Mitbestimmungspflicht kommt es nicht darauf an, ob die private Nutzung von Internet und E-Mail erlaubt ist oder nicht, sie gilt in jedem Fall.
Wichtig ist daher eine Betriebsvereinbarung, die regelt, wer in diese Daten Einsicht nehmen darf (also etwa die Mitarbeiter:innen der EDV-Abteilung, die für das reibungslose Funktionieren der Internetverbindung sorgen sollen, nicht aber Vorgesetzte), ob und gegebenenfalls an wen die Daten weitergegeben werden dürfen, wie lange sie gespeichert werden dürfen usw.
Achtung
Private E-Mails dürfen nicht gelesen werden
Bei der Kontrolle privater E-Mails wird davon auszugehen sein, dass dies die Menschenwürde sogar verletzt und daher verboten ist. Private E-Mails dürfen daher weder von den Mitarbeiter:innen der EDV-Abteilung gelesen, noch an den:die Arbeitgeber:in weitergegeben und von diesem:dieser gelesen werden. Allerdings kann eine private Nutzung der betrieblichen E-Mail-Adresse bzw. insgesamt die private Internetnutzung (ausgenommen in Notfällen) während der Arbeitszeit untersagt werden.
Zu beachten ist, dass auch ein Zugriff auf dienstliche Mails in aufrechten Arbeitsverhältnissen in der Regel ohne vorherige Ankündigung unzulässig ist. Nach Ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen ist dies bei Vorliegen eines berechtigen Interesses (z.B.: Aufrechthaltung des Geschäftsbetriebes) möglich.
Dürfen Telefongespräche abgehört werden?
Das heimliche Abhören bzw. Aufzeichnen von Telefongesprächen der Arbeitnehmer:innen – nicht nur von Privatgesprächen, sondern auch von dienstlichen Gesprächen – ist jedenfalls unzulässig. Denn auch beim dienstlichen Telefonat werden nicht nur sachliche Informationen ausgetauscht, sondern es schwingt immer auch eine persönliche Ebene mit.
Unzulässig wäre ein Mithören selbst bei Zustimmung des:der Arbeiternehmers:Arbeitnehmerin, nicht zuletzt in Hinblick auf die Gesprächspartner:innen, die natürlich davon ausgehen dürfen, dass das Gespräch zwischen den Teilnehmer:innen bleibt. Automationsunterstützte Telefonregistrieranlagen, die die Nummern der angerufenen Teilnehmer:innen systematisch und vollständig den jeweiligen Nebenstellen (d.h. dem:der Arbeitnehmer:in) zugeordnet erfassen, berühren aufgrund der hohen Kontrollintensität die Menschenwürde und sind daher zustimmungspflichtig.
Darf der Aufenthaltsort bei Dienstfahrten überwacht werden?
Die ständige Lokalisierung des Aufenthaltsortes eines Dienstwagens und die damit erfolgende Überwachung des Aufenthaltsortes der Arbeitnehmer:innen stellen eine beträchtliche Kontrolldichte und Eingriffsintensität in die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer:innen dar, die durch ein entsprechend gewichtiges Interesse des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin gerechtfertigt sein müssen.
Im Allgemeinen werden das Führen eines Fahrtenbuches und Aufzeichnungen der Arbeitnehmer:innen über die Dauer der auswärtigen Termine und Fahrtstrecken sowie eine allfällige Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon als gelinderes Mittel ausreichen, um die Interessen des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin zu wahren.
In der Regel ist der Einsatz solcher Systeme (GPS, Mobiltelefone mit Lokalisierungsfunktion) zustimmungspflichtig, weil sie nahezu lückenlose Bewegungsprofile der Arbeitnehmer:innen ermöglichen, und daher jedenfalls die Menschenwürde berühren.
Ist eine Überwachung durch Videokameras zulässig?
Das Datenschutzgesetz regelt eindeutig, dass Videoüberwachung zur Mitarbeiter:innenkontrolle verboten ist. Klar unzulässig ist es daher, wenn der:die Arbeitgeber:in die Arbeitsleistung von im internen Bereich tätigen Arbeitnehmer:innen durch Kameras beobachten will!
Ein berechtigtes Interesse des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin am Einsatz eines Videoüberwachungssystems kann aber beispielsweise im Schutz vor bzw. in der Hilfe zur Aufklärung von Diebstählen oder Überfällen liegen, etwa im Schalterraum einer Bank, wo ja primär nicht Arbeitnehmer:innen beobachtet werden sollen.
Es ist einerseits zu berücksichtigen das Interesse des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin am Einsatz von Videokameras, andererseits aber auch das Schutzinteresse der Arbeitnehmer:innen, die dabei ins Bild kommen.
Sofern der Arbeitsbereich des:der Arbeitnehmers:Arbeitnehmer:in im Blickfeld der Kameras liegt, wird die Menschenwürde berührt und die Zustimmungspflicht (des Betriebsrates in Form einer Betriebsvereinbarung oder in betriebsratslosen Betrieben durch den:die Arbeitnehmer:in) ist gegeben.
Ist eine heimliche Überwachung durch Einsatz von Spy-Software, wie beispielsweise Keylogger zulässig?
Der heimliche Einsatz von Überwachungssoftware verletzt die Menschenwürde und ist selbst bei einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer:innen grundsätzlich nicht zulässig.
Bei der Installation eines „Keyloggers“, d.h. Software oder Hardware zur Protokollierung der Eingaben auf der Tastatur des Rechners (am Arbeitsplatz), egal zu welchem Zweck, handelt es sich um eine unverhältnismäßige, und damit unzulässige, Maßnahme zur Ermittlung personenbezogener Daten.
Mit wem muss die Überwachung abgesprochen werden?
Kontrollmaßnahmen und technische Systeme zur Kontrolle der Arbeitnehmer:innen bedürfen, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren (siehe oben), zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Es handelt sich um einen Fall der notwendigen Mitbestimmung, d.h. diese Zustimmung kann nur in Form einer Betriebsvereinbarung erfolgen und ist nicht durch die Schlichtungsstelle ersetzbar.
In Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, kann eine entsprechende Kontrollmaßnahme nur mit Zustimmung der davon betroffenen Arbeitnehmer:innen eingeführt bzw. verwendet werden. Die Zustimmung kann, sofern keine schriftliche Vereinbarung mit dem:der Arbeitgeber:in über deren Dauer vorliegt, jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist schriftlich gekündigt werden.
Besteht ein Betriebsrat, ist überdies der Einsatz von automationsunterstützten Systemen zur Verarbeitung von personenbezogenen Arbeitnehmer:innendaten (Personaldatenverarbeitungssystemen) nur auf Grund einer Betriebsvereinbarung möglich, sofern Daten von ArbeitnehmerInnen verarbeitet werden, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person (Name, Wohnadresse usw.) und fachlichen Voraussetzungen (Schulbildung, Arbeitszeugnisse) hinausgehen; zustimmungsfrei ist auch die Verwendung von personenbezogenen Arbeitnehmer:innendaten in Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen (z.B. Arbeitszeitaufzeichnungen).
Parallel zu den Ansprüchen aus der Arbeitsverfassung hat jede:r einzelne Arbeitnehmer:in das persönliche Recht (dieses steht im Verfassungsrang) auf Geheimhaltung der ihn:sie betreffenden personenbezogenen Daten und damit verbunden ein Auskunftsrecht, welche – sie betreffende – Daten verarbeitet werden.
Habe ich ein Recht zu erfahren, was kontrolliert wird?
Die Datenschutz-Grundverordnung normiert ausdrücklich, dass Personen, deren personenbezogene Daten verarbeitet werden, darüber informiert werden müssen ("Transparenzgebot, Informationspflicht des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin").
Zudem hat jede:r Arbeitnehmer:in Recht auf Auskunft über die von ihm:ihr vorhandenen konkreten Daten, über deren Herkunft, deren Verknüpfungen mit anderen Daten und über allfällige Übermittlungen. Unrichtige oder rechtswidrig verarbeitete Arbeitnehmer:innendaten hat der:die Arbeitgeber:in richtig zu stellen bzw. zu löschen. (datenschutzrechtliche Grundsätze der Richtigkeit und der Speicherbegrenzung).
Auch der Betriebsrat ist auf Grund des Arbeitsverfassungsgesetzes von dem:der Betriebsinhaber:in darüber zu informieren, welche Arten von personenbezogenen Arbeitnehmer:innendaten dieser automationsunterstützt aufzeichnet und welche Verarbeitungen und Übermittlungen er vorsieht. Der:die Arbeitgeber:in muss dem Betriebsrat, wenn dieser es verlangt, die Überprüfung der Grundlagen für die Verarbeitung und Übermittlung ermöglichen.
Wie kann ich mich gegen rechtswidrige Überwachung wehren?
Primäre:r Ansprechpartner:in im Betrieb ist der Betriebsrat, der durch sein Einsichts- und Kontrollrecht gegenüber dem:der Betriebsinhaber:in und durch die Möglichkeit zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen (ohne die die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahmen ja unzulässig sind) eine in der Praxis wichtige regulierende und kontrollierende Funktion ausübt. Als Ansprechpartner:innen für Beratung und Hilfe zur Rechtsdurchsetzung stehen natürlich Arbeiterkammern und Gewerkschaften zur Verfügung.
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren und nicht etwa durch Betriebsvereinbarung geregelt sind, sind unzulässig und daher umgehend einzustellen. Der:die Arbeitnehmer:in muss sich solchen Kontrollmaßnahmen nicht unterwerfen und kann beim Arbeits- und Sozialgericht auf Unterlassung der rechtswidrigen Überwachung und gegebenenfalls auch auf Beseitigung der beispielsweise rechtswidrig angebrachten Überwachungskameras klagen.
Da einzelne Arbeitnehmer:innen allerdings im aufrechten Arbeitsverhältnis aus Angst vor Kündigung oftmals vor einem solchen Schritt zurückschrecken, wird hier die Wichtigkeit eines Betriebsrats deutlich: Dieser kann, wenn mindestens drei Arbeitnehmer:innen des Betriebes oder Unternehmens von der Maßnahme betroffen sind (was oftmals der Fall sein wird), selbst die Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der durchgeführten Überwachungsmaßnahmen beim Arbeits- und Sozialgericht einbringen bzw. auf Unterlassung oder Beseitigung klagen.
Liegt auch ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Regelungen vor, kann jede betroffene Person eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde einbringen.
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