Studie: Berufsbezogenes E-Learning 2022
Die Covid-19-Pandemie führte zu einer enormen Zunahme an Beschäftigten, die Erfahrungen mit Formen digitaler Wissensvermittlung gemacht haben.
Rund drei Viertel der niederösterreichischen Beschäftigten haben ihre letzte Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahme während der Pandemie (Juni/Juli 2021 bis Juni/Juli 2022) via E-Learning absolviert. 60 % davon hatten bis zu Pandemie-Beginn noch keine Erfahrungen mit digitalem Lernen gemacht.
Das geht aus der Studie „Berufsbezogenes E-Learning inmitten der Covid-19-Pandemie“ des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (öibf) hervor, die von der AK Niederösterreich in Auftrag gegeben wurde. Befragt wurden dafür 1.003 Beschäftigte in Niederösterreich, zudem noch Betriebsrät:innen und Erwachsenenbildungseinrichtungen.
Neben den Potenzialen, die E-Learning zugemessen werden (z.B. ort- und zeitunabhängiges Lernen, neue didaktische Möglichkeiten), stellte sich gegen Ende der Pandemie auch die Frage, ob (technische und/oder soziale) Ungleichheitsdimensionen im Zugang zu sowie in der Umsetzung von digitalen Qualifizierungsmaßnahmen (weiterhin) bestehen.
Die Hauptfragestellung in dieser Studie lautet:
Zentrale ergebnisse
- E-Learning ist bei weiblichen Beschäftigten, Personen mit höherem Bildungsabschluss, Führungskräften und Angestellten überproportional häufiger zum Einsatz gekommen.
- In 60 % der Fälle handelte es sich beim digitalen Lernen um „reines“ E-Learning, bei 40 % um Bildungsmaßnahmen, bei denen sich Online- und Präsenzeinheiten abwechselten („Blended-Learning“).
- Vielfach wird bei „reinem“ E-Learning der soziale Aspekt des Lernens vermisst. Im Wiederholungsfall wünscht sich die Mehrheit die gleiche (via E-Learning absolvierte) Bildungsmaßnahme im Blended-Learning-Format, 19 % in Präsenz und 31 % ausschließlich online/digital.
- Die größten Vorteile von E-Learning sind vor allem zeitlich-organisatorischer Natur. Von den Arbeitnehmer:innen werden folgende Aspekte am häufigsten genannt: Keine An- und Abreise notwendig (77 % Zustimmung); Vereinbarkeit mit meiner beruflichen Tätigkeit (51 %); Zeitliche Organisation der Teilnahme (46 %); Vereinbarkeit mit meinem Privatleben (34 %).
- Nur eine knappe Mehrheit der Arbeitnehmer:innen gibt an, über technisch gut ausgestattete Arbeitsplätze (57 %), eine technische Unterstützung seitens des Betriebes (59 %) und Home-Office-Möglichkeiten (53 %) für E-Learning zu verfügen. Die Hälfte der Befragten (50 %) hat für die Inanspruchnahme von E-Learning keinen unmittelbaren Zugang zu ruhigen Arbeitsplätzen bzw. Lernräumen.
- Bei Beschäftigten außerhalb des Bürobereichs (Arbeiter:innen im Produktionsbereich etc.) sind die betrieblichen Rahmenbedingungen für E-Learning häufig besonders unzureichend.
- Die meisten Arbeitnehmer:innen bekamen fürs digitale Lernen ein Notebook oder einen Computer vom Betrieb bereitgestellt. Abhängig von den jeweiligen technischen Erfordernissen mussten dafür jedoch bis zu 29 % der Beschäftigten auf ein privates Gerät zurückgreifen. Das betrifft überproportional häufig Frauen.
- Berufsbezogenes E-Learning wurde zu 79 % von den Betrieben finanziert. Bei 5 % gab es eine Mischfinanzierung (privat/Betrieb). 16 % der Beschäftigten bezahlten die E-Learning-Teilnahme zur Gänze selbst. Je größer der Betrieb, desto eher werden E-Learning-Teilnahmen arbeitgeberseitig bezahlt.
- Die befragten Betriebsrät:Innen und Erwachsenenbildungseinrichtungen nennen fehlende zeitliche Ressourcen bei Arbeitnehmer:innen aufgrund hoher Arbeitsbelastung als wesentlichen Hauptgrund für die Nicht-Inanspruchnahme von berufsbezogenem E-Learning.
AK Niederösterreich forderungen
- Die Verbesserung der betrieblichen Rahmenbedingungen und Regelungen, um gleichberechtigte Teilnahmechancen und lernförderliche Arbeitsverhältnisse für alle Beschäftigtengruppen zu gewährleisten:
Das bedeutet konkret u.a.
- Klare und transparente betriebliche Regelungen zum E-Learning insbesonders in Bezug auf Arbeitszeit, Datenschutz und technische Ausstattung,
- Betrieblich bereitgestellte Endgeräte für alle Arbeitnehmer:innen: „Leihgeräte“ insbesonders für jene Beschäftigten, bei denen PC oder Notebook nicht das „Haupt-Arbeitsmittel“ darstellen,
- Ruhige, ungestörte „Computer-Lernplätze“ für alle Beschäftigten: Schaffung von akustisch abgeschotteten Lernräumen bzw. „Learning-Corners“ - insb. für Beschäftige außerhalb des Bürobereichs,
- Schaffung einer betrieblichen Weiterbildungskultur, die sowohl analoges als auch digitales Lernen fördert und die diesbezüglichen Wünsche und Bedürfnisse der Belegschaft berücksichtigt: u.a. durch die Mitsprachemöglichkeit der Beschäftigten beim Einsatz von E-Learning in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung etc. - Die Einrichtung von „E-Learning-Qualifizierungsverbünden“ für Arbeitnehmer:innen in KMUs, damit ihnen ein vielfältiges, bedarfsgerechtes und gut betreutes E-Learning-Angebot zur Verfügung steht. Bestehende Verbünde (z.B. AMS) sollten durch zusätzliche E-Learning-Angebote erweitert werden.
- Die ausreichende öffentliche Finanzierung der regionalen Erwachsenenbildungseinrichtungen, damit die „Bildungsnahversorger“ für E-Learning eine zeitgemäße technische Ausstattung anschaffen können etc. und damit diese außerbetrieblichen Lernorte, welche Präsenzlehre und soziales Lernen ermöglichen, in den verschiedenen Regionen zugleich auch erhalten bleiben.
- E-Learning als Fixbestandteil eines bundesweiten „Weiterbildungsgesetzes“, in dem u. a. diverse Rechte von Arbeitnehmer:innen (z.B. eine „Weiterbildungswoche“ pro Jahr, Mitspracherechte) sowie Pflichten von Arbeitgeber:innen und Bildungsanbieter:innen festgeschrieben sind (z.B. Datenschutz, pädagogische Qualität, technische Ausstattung, Finanzierung etc.).