Wirtschaftspolitische Debatte
WIFO-Experte: „Wir brauchen neue Ansätze in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.“
Im
Rahmen der Sitzung der niederösterreichischen
ArbeitnehmerInnenparlaments in St. Pölten hielt WIFO-Experte Dr. Markus
Marterbauer ein Referat über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und
der damit verbundenen Herausforderungen, die in den kommenden Jahren zu
bewältigen sein werden. Damit sozial- und wirtschaftspolitische
Maßnahmen greifen können, warnt Marterbauer eindringlich vor
nachfragedämpfenden Ausgabenkürzungen im nächsten Jahr. AKNÖ-Präsident
Hermann Haneder sieht sich durch den Wirtschaftsexperten in vielen
Bereichen seiner interessenpolitischen Arbeit bestätigt. Er verlangt
ebenfalls, dass bei der kommenden Budgetkonsolidierung auf Wachstum
gesetzt wird.
Die größte Herausforderung, so der WIFO-Experte, wird im kommenden Jahr
die Budgetkonsolidierung darstellen. Marterbauer verweist auf die
Gefahr, wenn Budgetkonsolidierung über die Nachfrageseite erfolgt. Ein
solches Vorgehen würde das Wirtschaftswachstum deutlich dämpfen. Die
Konjunktur sei zwar stabilisiert worden, die Gefahr einer neuerlichen
Rezession bleibt aber bestehen, vor allem dann, wenn auch in den
restlichen EU-Ländern eine Budgetkonsolidierung simultan erfolgt, so
Marterbauer. AKNÖ-Präsident Hermann Haneder teilt diese Ansicht. „Wir
müssen dem Experten mit seiner Einschätzung recht geben und wirklich
darauf achten, dass dort stärker gespart wird, wo es wenig Auswirkungen
auf Wachstum und Beschäftigung gibt“, schließt sich AKNÖ-Präsident
Hermann Haneder an.
Mehr Bildungs- und Ausbildungsplätze
Es bedarf daher einerseits einer nachfrageschonenden
Budgetkonsolidierung, andererseits innovativer Formen einer Verkürzung
der Arbeitszeit.Ein weiteres Problem stellt die Arbeitslosigkeit dar.
Trotz aller politischen Gegenmaßnahmen wie der Kurzarbeit gingen in
Österreich aufgrund der Krise 70.000 Arbeitsplätze alleine in der
Industrie verloren – einem Sektor mit viel Vollzeitbeschäftigung und
relativ hohen Einkommen. Insgesamt sind durch die Krise 90.000 Menschen
in Österreich arbeitslos geworden. Eine beunruhigende Entwicklung ist
die relativ hohe Arbeitslosigkeit der 20 bis 24-Jährigen in Österreich.
Um dieser entgegenzuwirken, müssen, so der WIFO-Experte, die Bildungs-
und Ausbildungsplätze deutlich ausgedehnt werden.
Innovative Arbeitszeitverkürzung
Um die Arbeitslosigkeit in einem Zeitraum von fünf Jahren halbieren zu
können, wäre ein jährliches Wirtschaftswachstum von fünf Prozent
erforderlich – eine unrealistische Ausgangsposition. Daher bedarf es an
schnell wirksamen beschäftigungspolitischen Maßnahmen, zum Beispiel dem
Ausbau sozialer Dienstleistungen wie flächendeckenden
Kinderbetreuungseinrichtungen, oder einer sinnvollen und innovativen
Form der Arbeitszeitverkürzung, wie kürzere Vollzeit oder längere
Bildungskarenz. Eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent (von 39 auf
35 Stunden) würde innerhalb von fünf Jahren 130.000 zusätzliche Jobs
bringen und die Arbeitslosigkeit würde alleine durch diese Maßnahme um
2,7 Prozentpunkte sinken.