11.11.2016

60 Anträge für eine bessere Arbeitswelt

Bei der heutigen Vollversammlung des ArbeitnehmerInnen-Parlaments der AK Niederösterreich haben die anwesenden 101 KammerrätInnen die Weichen für die Zukunft in der Arbeitswelt gestellt. Ausgehend von einem gemeinsamen Bekenntnis zum Solidaritätsgedanken und zum Sozialstaat gab es bei der Diskussion um die Mindestsicherung zahlreiche Wortmeldungen. 

Der Antrag des NÖ AAB-FCG zur Reform der Mindestsicherung – das niederösterreichische Modell - wurde abgelehnt. Bei der Debatte zeigten sich große Auffassungsunterschiede zwischen den Fraktionen.  Vizepräsident Franz Hemm (NÖ AAB-FCG) bekräftigte seine Position: „Wir sind für jene, die arbeiten möchten. Ich sage Ja zur Hilfe, wo Hilfe gebraucht wird und ein klares Nein zur Unterstützung jener, die arbeiten könnten, aber nicht wollen.“ Dem entgegnete Brigitte Reiter (AUGE/UG): „Wenn Sie Sozialmärkte anschauen, kauft dort eine große Anzahl von Einheimischen in prekären Verhältnissen. Ich bin der Meinung, wir leben in einem Wohlstandsland, in dem wir die Möglichkeit haben, zu teilen.“ Stefan Taibl (AUGE/UG): „Man kann den Menschen nicht vorwerfen, dass sie nicht arbeiten wollen. Mindestsicherungsbezieher haben ein Recht auf Leben und auf eine Perspektive.“ Rene Pfister (FSG) kritisierte das Scheitern der Einigung zur Mindestsicherung: „Es geht in der Politik darum, sich zu bewegen. 75 Prozent der Beziehenden sind Aufstocker, nur ein Drittel sind arbeitslos. Schauen wir, dass sich Arbeit lohnt und es höhere Löhne gibt. Dann wird diese Neiddebatte gar nicht aufkommen. Das sollte das Ziel sein und nicht, die Gesellschaft zu spalten.“ Richard Punz (FA) äußerte Verständnis für den Antrag des NÖ AAB-FCG.

Anspruch auf sechste Urlaubswoche

Einig waren sich die Fraktionen und wahlwerbenden Gruppen bei ihrer Forderung nach einer 6. Urlaubswoche für alle ArbeitnehmerInnen ab 25 Dienstjahren oder ab dem 43. Lebensjahr. Die KammerrätInnen begründeten diese Forderung damit, dass das ein wesentlicher Beitrag dafür ist, damit Menschen länger gesund im Arbeitsleben stehen können. Es wurde aufgezeigt, dass mit der derzeitigen Regelung immer weniger ältere ArbeitnehmerInnen Anspruch auf diese 6. Urlaubwoche haben, die Gefahren der Erschöpfung aber steigen. Gefordert wurde unter anderem auch noch, dass die Mindestlöhne auch für Beschäftigte ohne Kollektivverträge gelten sollen, um der Lohndumpinggefahr vorzubeugen. Dazu wurde eine konkrete Gesetzesänderung vorgeschlagen.

Steuergerechtigkeit im Fokus der ArbeitnehmervertreterInnen

Mehrere Anträge behandelten aktuelle Fragen rund um das Thema Steuern. Einerseits ging es um generelle Verteilungsfragen, andererseits aber auch um konkrete Verbesserungen bei der Arbeitnehmerveranlagung. Für diese wurde eine schnellere Bearbeitung der Anträge gefordert. Generell sprachen sich die Kammerrätinnen und Kammerräte für die Abschaffung der kalten Progression und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten aus, auch eine Inflationsanpassung bei Familienleistung ist Thema. So auch Harald Sterle (NÖ AAB-FCG): „Die Entlastung durch die Steuerreform wird durch Inflation aufgefressen, daher sind wir für eine Abschaffung der kalten Progression.“ Beim Kinderbetreuungsgeld tritt seine Fraktion für die Absetzbarkeit der Kosten bis zum 14. statt wie bisher bis zum 10. Lebensjahr ein. 

Auch die Freihandelsabkommen CETA und TTIP waren Thema bei der Tagung des ArbeitnehmerInnen-Parlaments. Hier werden Anträge den zuständigen Ausschüssen zur intensiveren Diskussion zugewiesen. Kammerrat Can Tohumcu (KOMintern) erklärt dazu: „Presseerklärungen reichen nicht, damit CETA nicht Realität wird. Wir müssen die Haltung gegen CETA und TTIP in allen Gremien vertreten und das Volksbegehren unterstützen.“

Gemeinsame Forderung aller Fraktionen nach Maßnahmen für pflegende Angehörige

In einer gemeinsamen Resolution weisen die Fraktionen und wahlwerbenden Gruppen auf die schwierige Situation von ArbeitnehmerInnen hin, die behinderte Kinder oder Angehörige daheim pflegen. In dieser Resolution werden zahlreiche Gesetzeslücken bei der Inanspruchnahme von Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit und Verbesserungsvorschläge aufgezeigt. So soll es nach Vorstellung der niederösterreichischen ArbeitnehmervertreterInnen künftig einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit geben, genauso soll es einen Kündigungsschutz für Betroffene in dieser schwierigen Situation geben.

Kritische Debatte zur Situation der Pflegeberufe

Kritisch sehen viele ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen derzeit die Situation der Gesundheitsberufe und die Novelle zum Ausbildungsgesetz. Befürchtet wird, dass die Arbeitsbedingungen durch Sparvorgaben in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und steigende Arbeitsbelastungen immer schlechter werden. Die Kammerätinnen und Kammerräte fordern einen entsprechenden Personalschlüssel in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. 
Stefan Taibl (AUGE/UG) meint: „Wir müssen auf die Kranken und auf die Qualitätsstandards schauen, aber auch auf die MitarbeiterInnen, die das System bisher getragen haben.“ Für Vizepräsidentin Brigitte Adler (FSG) ist klar: „Die Novelle ist kein Ruhmesblatt, jetzt geht es um Schadensbegrenzung. Das heißt, anständige Gehälter zu bezahlen. Aber vor allem muss Augenmerk auf den Personalschlüssel und die Qualitätskriterien gelegt werden.“ Auch Reinhard Waldhör (NÖ AAB-FCG) sieht die Ausbildungsnovelle ebenfalls als missglückt an.

Den digitalen Wandel gerecht gestalten

Die vielen Veränderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung vieler Berufe entstehen, beschäftigten erwartungsgemäß die Kammerrätinnen und Kammerräte sehr. Vor allem wurde auch die Frage diskutiert, wie die ArbeitnehmerInnen in diesem technologischen Wandel den Anschluss bewahren können. Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen ließ dabei mit einem Antrag zur Schaffung eines dualen Weiterbildungssystems aufhorchen. Dazu soll ein flächendeckendes System geschaffen werden, bei dem die Arbeitgeber die Weiterbildungszeit bezahlen und die ArbeitnehmerInnen einen Rechtsanspruch auf eine Kombination von innerbetrieblichen und überbetrieblichen Weiterbildungen haben, um für den digitalen Wandel gerüstet zu sein. Ebenso forderte die FSG eine Anpassung des ArbeitnehmerInnenschutzes an die neuen technologischen Herausforderungen. Dabei wurde auf die zunehmende Entgrenzung der Arbeitswelt hingewiesen, die vor allem im Bereich Datenschutz und Mitbestimmungsrechten neue Herausforderungen bringen.

Verbesserungen für die Anrechnung der Karenz gefordert

Bei den jüngsten Lohn- und Gehaltsverhandlungen in der Metallbranche ist die Anrechnung der Karenz auf dienstzeitabhängige Ansprüche bereits durchgesetzt worden. Die AK Kammerrätinnen und Kammerräte forderten nun, dass für alle Beschäftigungsgruppen eine Anrechnung der gesetzlichen Karenz erfolgen soll. Darüber hinaus wurden Verbesserungen für Eltern gefordert, die ihre Karenz vorzeitig beenden und eine Behebung von Mängeln im Väter-Karenzgesetz. Silke Dammerer (NÖ AAB-FCG) meinte darüber hinaus: „Es wäre fair, wenn für jedes Kind volle vier Jahre auf die Pension angerechnet würde. Derzeit werden nur Frauen, die ein Kind haben, die vollen vier Jahren angerechnet.“ Gerda Schilcher (FSG) sprach sich hingegen für die Wahlmöglichkeit zwischen Beruf und Daheimbleiben aus und deshalb für eine Förderung der Kinderbetreuung.

Die Bilanz zur Tagung des ArbeitnehmerInnenparlaments

Insgesamt haben die 101 anwesenden Kammerrätinnen und Kammerräte 61 Anträge und Resolutionen eingebracht. Einer wurde zurückgezogen, sodass 60 Anträge in 43 Debattenbeiträgen intensiv diskutiert wurden.
Angenommen wurden schließlich 38 Anträge, 6 fanden keine Mehrheit zur Annahme. 16 Anträge wurden den zuständigen Ausschüssen zugewiesen, um dort genauer behandelt zu werden.

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