24.11.2022

AKNÖ-Wieser: Höhere Vermögensteuer und Steuer auf Betriebsüberschüsse entlasten Arbeitnehmer:innen

„Wieviel ist genug? Diese Frage kann nicht aufgeschoben werden, weil sie heute brennend aktuell ist“, so AK Niederösterreich Präsident und ÖGB Niederösterreich Vorsitzender Markus Wieser beim Dialogforum am Donnerstag im Arbeitnemer:innenzentrum der AK Niederösterreich in St. Pölten.

Wenn der Anteil indirekter Steuern wie Konsum- und Verbrauchssteuern bei Geringverdiener:innen wesentlich größer ist als bei gut verdienenden Menschen, dann braucht das Land dringend Steuerlösungen, die gerechter sind. Und wenn in Österreich nur ein Viertel an Vermögensteuer gezahlt wird wie im restlichen Europa, dann ist eine höhere Vermögensteuer ein Hebel, um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen.

AK Präsident und ÖGB Niederösterreich Vorsitzender Markus Wieser erinnerte daran, dass die AK die Stimme der 4 Millionen Arbeitnehmer:innen ist, der Menschen, die das Land am Laufen halten. „Die Arbeitnehmer:innen sichern die Wertschöpfung, sie halten als Konsument:innen die Nachfrage für die Wirtschaft und sie halten das Land am Laufen“, so Wieser.

Die AK Niederösterreich hat mit den „3Vs“ im Jahr 2020 jene Fragen gestellt, die uns heute täglich begegnen. In vorbereitenden Diskussionen und Prozessen, in vielen Veranstaltungen und Gesprächen mit Wirtschaftsforscher:innen, Wirtschafts- und Sozialrechtsexpert:innen,, mit Sozialpartner:innen, Betriebsrät:innen, Bürgermeister:innen und vielen mehr haben wir eine Reihe von Vorschlägen für die Zukunft erstellt. Diese „3Vs“ samt Lösungsvorschlägen sind in einem 20-seitigen Memorandum zusammengefasst und mittlerweile in ganz Österreich bekannt“, so Wieser.

Konkret zum Thema des Dialogforums schlug der AK Präsident einen  Steuersatz auf Betriebsüberschüsse von 5 Prozent vor, um Frieden und Wohlstand nachhaltig zu sichern. Damit stünden 5,73 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für Kinderbetreuung, Bildungseinrichtungen oder Sozialleistungen  zur Verfügung, so Wieser.

Mag. Christina Mayrhuber, Ökonomin am WIFO, ging in ihrem Eingangsstatement der Frage nach, wer wie viel zur Staatsfinanzierung beiträgt. Demnach liegen die Steuern auf Vermögen in Österreich bei einem halber BIP-Prozentpunkt, EU-weit aber liegen sie bei 2,1 Prozent. „Österreich weicht hier ganz stark von Europa ab“, so Mayrhuber. 

Arbeitnehmerentgelte sind in Österreich überdurchschnittlich hoch, das liegt an den höheren Sozialstandards in Österreich. Eine Sonderstellung hat auch die Lohnsummensteuer. Sie wird in Österreich zur Finanzierung des Familienlastenausgleich herangezogen. „Grundsätzlich ist die Steuerstruktur in Österreich überdurschnittlich am Faktor Arbeit ausgerichtet“, so die Ökonomin.

„Seit dem Jahr 2019 übersteigen die regressiven Umsatzsteuereinnahmen die progressiven Lohnsteuereinnahmen. Das bringt eine hohe Belastung ärmerer Haushalte. Das Erwerbseinkommen als Finanzierungsgrundlage der Sozialen Sicherheit bringt eine zunehmende Finanzierungslücke durch einen relativen Bedeutungsverlust der Erwerbseinkommen“, so Mayrhuber abschließend.

Sarah Godar, Ph.D., wissenschaftliche Mitarbeiterin am EU Tax Obervatory, betonte die Notwendigkeit, höhere Steuern auf Kapital und Vermögen zu erheben, weil alle anderen Faktoren ausgelastet sind und es zu keinem Rückzug des Staates kommen wird. Die Verschuldung steigt und der Staat muss diese Ausgaben wieder reinholen.“

Der Faktor Arbeit steht als Hauptstütze des Steuersystems in Frage. Man muss EU-weit effektive Steuersätze multinationaler Unternehmen erhöhen, Steuerschlupflöcher schließen, die geplante globale Mindeststeuer für Multis muss ergänzt werden, um Steuerflucht zu verhinder. Und es braucht eine Steuerharmonisierung auf EU-Ebene. Denn die letzten Jahrzehnte haben eine Verlagerung der Steuerlast auf Arbeit und Konsum gebracht.

vlnr: Oliver Picek (Momentum Institut), Christine Mayrhuber (WIFO), Sarah Godar (EU Tax Observatory), Markus Wieser (AKNÖ), Monika Köppl-Turyna (Eco Austria), Michael Tumpel (JKU Business School)
vlnr: Oliver Picek (Momentum Institut), Christine Mayrhuber (WIFO), Sarah Godar (EU Tax Observatory), Markus Wieser (AKNÖ), Monika Köppl-Turyna (Eco Austria), Michael Tumpel (JKU Business School) © Alexandra Kromus, AK Niederösterreich


Wie kann Österreich steuergerecht werden? Podiumsdiskussion der AK Niederösterreich zu Erbschafts- und anderen Steuern

Wie kann Österreich steuergerecht werden? Mit dieser Frage befassten sich im zweiten Teil des Dialogforums der AK Niederösterreich Wirtschaftsexpert:innen  am Donnerstag im Arbeitnehmer:innenzentrum der AK in St. Pölten.

Univ.Prof. Dr. Michael Tumpel, Leiter des instituts für Betriebswissenschaftliche Steuerlehre an der KJU, forderte mehr steuerliche Planungssicherheit für Unternehmen. Zusätzlich sind Lohnverrechnungsfragen viel zu komplex und zeitaufwendig. Zusätzlich trat der Ökonom für die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer in Österreich ein. „Es ist unvertretbar, als Staat keine Erbschaftssteuer zu haben“. Bei der Forderung nach Vermögensteuer zeigte er sich zurückhaltend. Man muss zwischen klassischem Vermögen und Kapitalertragssteuer unterscheiden. Wir haben auch die Versteuerung von realisierten Kapitalerträgen. Derzeit jedenfalls wird der Steuerschwerpunkt gerne auf den Faktor Arbeit gelegt, weil der leichter fassbar ist.

Priv.Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna von Eco Austria verwies auf die Steuerungsmöglichkeiten von Steuern. Die Frage ist, ob eine Steuer Wachstum schafft oder wachstumshemmend wirkt. Oft aber gibt es Zielkonflikte, zum Beispiel bei der Mineralölsteuer in Österreich. Erhöht man diese, dann entfallen Steuereinnahmen durch den Tanktourismus.

Köppl-Turyna sprach sich für einen effizienteren Umgang mit Steuern aus. „Krise macht erfinderisch, wir müssen bestehende Strukturen analysieren. Ich bin mir sicher, dass wir auch ohne neue Steuern auskommen“.

„Wenn Frauen mit 60 in Pension gehen, haben sie eine Lebenserwartung von weiteren 26 Jahren. Davor haben sie im Schnitt 36 Jahre lang gearbeitet, einen Teil davon Teilzeit. Das kann sich finanziell nicht ausgehen“.

Dieser Aussage widersprach Mag. Christine Mayrhuber, Ökonomin am WIFO. „In der Pandemie haben wir gesehen: das Wirtschaftssystem hat ein Vorsystem, das ist Aufrechterhalten des täglichen Lebens. Das leisten in Österreich vor allem Frauen. Frauen sind in ihrer beruflichen und nichtberuflichen Tätigkeit zentral, damit das System funktioniert. Ohne diese Sorgearbeit funktioniert das System nicht“.

Die Belastung der unteren Einkommensgruppen sieht die Ökonomin überdurchschnittlich. „Es kommt zum Auseinanderfallen von Einkommen und relativer Belastung. In der Debatte fehlt in Europa die Zeitkomponente. Wir haben immer Krisen zu bewältigen, aber wir müssen längerfristige Ansätze andenken. Wir sind an einer Zeitenwende“.

Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, verwies auf zusätzliche Aufgaben des Staates in den kommenden 10 bis 15 Jahren.  Pflegeplätze, öffentlicher Verkehr Subnention für Unternehmen, um die Klimaziele zu erfüllen, usw. „Das braucht eine Finanzierung, die gerecht ist“.

Zur Erbschaftssteuer meinte er: Heuer sind der reichste Mann und die reichste Frau Österreichs verstorben. Ihre Erben werden keine Steuern und Abgaben darauf zahlen. In Südkorea ist der ehemalige Chef von Samsung verstorben und seine Erben haben bis zu 9 Mrd. Euro Steuern bezahlt. Das hätte uns in der Energiekrise, wo sich viele Menschen schwer tun, zu heizen, sehr geholfen.“

Sarah Godar  vom Tax Observatory meinte: „Wenn Subventionen von allen bezahlt, aber Gewinne von den Unternehmen einbehalte werden, dann haben wir ein Problem. Wir müssen den EU- Steuersenkungswettlauf stoppen, weil der nicht Wachstumsfördernd ist. Zum Beispiel führen unkoordinierte Steueranreize für Forschung und Entwicklung in verschiedenen EU-Mitgliedsländern dazu, dass multinationale Unternehmen teilweise ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten an die EU-Standorte mit den günstigsten Konditionen verlagern, die Forschung und Entwicklung in der EU insgesamt aber nicht erhöhen.“

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