Ständige Erreichbarkeit macht krank 

Die ständige Erreichbarkeit von ArbeitnehmerInnen in der Freizeit, im Urlaub und im Krankenstand steigt dramatisch. Wie eine repräsentative Studie der AK im Dienstleistungsbereich zeigt, sind bereits 70 Prozent in der Freizeit für Kollegen und Chefs verfügbar. Ein starker Anstieg an psychischer Belastung steht damit in direktem Zusammenhang. „Ständige Erreichbarkeit macht krank. Es braucht daher klare Regelungen, um der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit zu begegnen. Flexibilisierung ist keine Einbahnstraße“, so AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser.

Bis zu 70 Prozent in der Freizeit erreichbar

Für Kollegen und Vorgesetzte sind bis zu 70 Prozent in der Freizeit erreichbar, wie eine repräsentative Studie der AK Niederösterreich in Kooperation mit der TU Wien ergab (Dienstleistungs-Branche, 754 Befragte). Im Krankenstand sind fast 60 Prozent permanent verfügbar. Selbst am Wochenende und im Urlaub ist fast jeder Zweite stets erreichbar.

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Die mobilen Kommunikationsmittel (Handy, Laptop usw.) ermöglichen eine dauerhafte Erreichbarkeit der ArbeitnehmerInnen, der technische Fortschritt schreitet rasch voran. Bereits jede/r Siebente besitzt ein dienstliches Smartphone, vor zwei Jahren war es noch jeder Zehnte. Auch Daten sind (etwa via „Cloud“) mühelos permanent verfügbar und machen dadurch ein Arbeiten rund um die Uhr möglich. Die Folgen jedoch sind vor allem erhebliche gesundheitliche Auswirkungen.

Mehr Erreichbarkeit – mehr Erkrankungen

Fakt ist: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen ständiger Erreichbarkeit und psychischen Belastungen. Der Anteil der Beschäftigten mit Depressionserscheinungen liegt bei jenen, die in ihrer Freizeit nicht oder kaum erreichbar sind, bei 11,3 Prozent. Bei Beschäftigten mit einem hohen Maß an Erreichbarkeit liegt dieser Wert bereits mehr als doppelt so hoch (24 Prozent), wie aus dem DAK-Gesundheitsreport hervorgeht. 

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Tabelle: Anteil der Beschäftigten mit einer Depression je nach Ausmaß an Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit (Quelle: DAK-Gesundheitsreport)

Damit gehen viele Beeinträchtigungen einher: Schlechtere Schlafqualität, Konzentrationsstörungen, familiäre Konflikte oder Einschränkungen im Sozial- und Familienleben. 23 Prozent derer, die auch in ihrer Freizeit verfügbar sein müssen, fühlen sich zu erschöpft, um ihren privaten Verpflichtungen wie Haushalt oder Kinderbetreuung nachzukommen.

Teilzeit und All-in-Verträge 

Ständige Erreichbarkeit der ArbeitnehmerInnen und die daraus resultierenden Erkrankungen sind eng an die Zunahme von Teilzeitarbeit und All-in-Verträge geknüpft. 22,5 Prozent der Studienteilnehmer besitzen einen All-in-Vertrag. Diese Arbeitsverträge bewirken eine völlige Entgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. In Niederösterreich haben rund 160.000 ArbeitnehmerInnen einen All-in-Vertrag. Seit 2013 ist die Anzahl um knapp ein Drittel gestiegen.

Auch davon betroffen sind Teilzeit-Beschäftigte. Sie sind kürzer am Arbeitsplatz, daher werden Besprechungen und betriebliche Koordination über Mobiltelefone und PC immer stärker in die Freizeit verlegt.

Klare finanzielle Regeln nötig

Im Sinne der fairen Bezahlung für korrekte Arbeit ist es wichtig, konsequent gegenzusteuern, wenn die Arbeit in die Freizeit verlagert wird. Es braucht klare finanzielle Regelungen, wie Erreichbarkeit in der Freizeit für die Beschäftigten abgegolten wird (z.B. Rufbereitschaft, Überstunden). Zudem fordert Wieser Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte auch bei Zeitausgleich sowie die Angleichung der Mehrarbeitszuschläge an Überstundenzuschläge.

Psychische Belastungen in Betrieben erfassen

Während MitarbeiterInnen immer öfter in der Freizeit erreichbar zu sein haben und die permanente Verfügbarkeit auf dem Vormarsch ist, zeigen sich viele Unternehmen bei der Gesundheitsprävention säumig. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz müssen seit Anfang 2013 verpflichtend evaluiert werden. Dieser Verpflichtung kommen viele Betriebe nicht nach.

Anfang 2015 hatte nur jeder fünfte Betrieb diese Erhebung durchgeführt, wie aus dem Strukturwandel-Barometer der Arbeiterkammer hervorgeht. Wie viele Unternehmen seither dazugekommen sind, lässt sich allerdings gar nicht eruieren. Es gibt keine Form der Datenerfassung. 

Daher braucht es eine Meldepflicht der Unternehmen zur Durchführung, eine entsprechende Datenerfassung und den flächendeckenden Einsatz von ArbeitspsychologInnen in Niederösterreich.

Verpflichtende Betriebliche Gesundheitsförderung rasch umsetzen

Flexibilisierung und Gesundheitsgefährdung der ArbeitnehmerInnen stehen in engem Zusammenhang. Lange und unstrukturierte Arbeitszeiten sind die Hauptursache bei arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen wie Burn-out. Ein weiterer Aspekt, der von den Unternehmen viel zu wenig beachtet wird, ist die Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze. „Wenn den ArbeitnehmerInnen immer wieder gesagt wird, dass sie länger arbeiten sollen, dann braucht es auch erstens die Arbeitsplätze dazu. Und zweitens müssen diese Arbeitsplätze auch gesund sein und dürfen die ArbeitnehmerInnen nicht krank machen“, so Wieser.

Es braucht daher die gesetzliche Verpflichtung zur Betrieblichen Gesundheitsförderung. Zur finanziellen Zweckbindung wäre pro geleisteter Überstunde (Arbeitgeberabgabe) ein Überstunden-Euro denkbar. Zudem ist eine Erstellung eines geeigneten Maßnahmenkatalogs erforderlich, um psychischen Erkrankungen besser entgegenwirken zu können. 

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